Cloud Around
Es war nur logisch, dass Cloud und ich unsere BÜGE (Bürogemeinschaft) Ferien in Nepal veranstalten würden. Ende April gönnte sich Cloud eine grosse Portion moderne Unterhaltungselektronik und erreichte Kathmandu in erstaunlich guter Verfassung. Es mag auch daran gelegen sein, dass er einfach froh war endlich dem garstigen Wetter in der Schweiz entflohen zu sein oder vielleicht auch weil wir uns als erstes seine zahlreichen Rucksäcke umhängten und voll beladen mit meinem Motorrad durch den sehr gewöhnungsbedürftigen Verkehr manövrierten. Ich kann verstehen, dass man in einer solchen Situation nicht unbedingt schlafen möchte.
Für unsere Ferien – Aktivferien trifft es wohl eher – hatte ich ein straffes Programm zusammengestellt. Nachdem sich Cloud einigermassen akklimatisiert, mein Arbeitsplatz besucht, sein erstes Dhal Bhat gegessen und die Ausrüstungslücken gefüllt hatte, schwangen wir uns frühmorgens in den Sattel. Das Tagesziel war Hetauda, eine Stadt im Süden Nepals, unweit von der Indischen Grenze.

An einigen Stellen kamen wir nicht umhin Rollen zu tauschen und für einmal das Fahrrad zu tragen, statt umgekehrt.
Die Route führte uns entlang einer neuen Strasse, einem sogenannten Fast Track, der dereinst Kathmandu und den Süden möglichst direkt verbinden sollte. Bis heute besteht aber eine nur knapp einspurige Schotterpiste – perfekt für eine einsame Biketour.

An zwei Stellen waren Bauarbeiten im Gange. An der ersten waren zahlreiche Arbeiter daran, lose Felsbrocken oberhalb der Strasse zu lösen und runter fliegen zu lassen. Wenigstens trugen die Arbeiter Helme – wir zwar auch, aber wohl war uns bei dieser Passage trotzdem nicht. Auch die zweite Passage war unheimlich. Das Blechmonster schmiss Felsriesen runter als wären es Kieselsteine. Als ich mit dem Fahrrad auf dem Buckel über die riesigen Raupen klettern musste kam ich mir auch als einer vor.
Als wir uns langsam Richtung Süden bewegten kletterte die Sonne dem Himmelsdom entgegen und zwang unsere Wasserkühlung zu Höchstleistungen. Am Mittag erreichten wir ein kleines Dorf wo man uns gerne Dhal Bhat zubereitete. Der höchste Politiker im Dorf, zusammen mit einem grossen Anteil der Anwohner, leistete uns selbstverständlich Gesellschaft. Kuire – also Weisse – sehen sie in diesem Dorf selten.
Der Tag zog sich dahin und der Kilometerzähler lief – zwar langsam – dafür aber fast ohne Unterbruch. Nach knapp 10 Stunden im Sattel erreichten wir die Talebene. Über eine nervenaufreibende Schotterstrasse sollten wir Hetauda erreichen. Mit sinkendem Energievorrat die Strasse verfluchend wechselte der Belag endlich zu glattem Teer. Froh über die wohltuende Laufruhigkeit unserer Räder verabschiedete sich unsere Konzentration. Cloud nahm seine Hände vom Lenkrad, um seinen Rücken zu entlasten, bevor wir beide jäh aus dem Sattel geschleudert wurden. Eine Sekunde später lag Cloud unter seinem Fahrrad und ich stand schockiert daneben. Zum Glück kam Cloud mit einigen Prellungen und Schürfungen verhältnismässig glimpflich davon. Das Adrenalin reichte ihm auf jeden Fall, um noch relativ schmerzfrei unsere Destination zu erreichen, wo wir uns frisch geduscht endlich das verdiente Bier und die volle Ladung Kohlehydrate gönnten.

Die zweite Tagesetappe war fahrtechnisch nicht annähernd so interessant wie die erste, aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir mit anderen Problemen zu kämpfen.
Am nächsten Tag wollten wir zum ersten Nationalpark Nepals fahren, was sich trotz relativ kurzer Distanz und praktisch flacher Strasse als Herausforderung entpuppte. Wir hatten beide mit einem sehr schmerzempflindlichen Gesäss und brütender Hitze zu kämpfen. Cloud litt zusätzlich noch von seinen Nachwehen der intensiven Auseinandersetzung mit dem Strassenbelag am Vortag. Nach vielen Pausen entschieden wir uns doch, das letzte Teilstück mit dem Bus zurück zu legen. Zwar waren wir wohl nicht schneller, aber es war zugegebenermassen um einiges angenehmer.
Wir quartierten uns in einem hübschen Bungalow in Sauraha ein und buchten ein zweitätiges Jungle-Paket inklusive Kultur-show, Kanufahrt, Wanderung, Elefanten-Ritt und -Dusche. Wie ich das Programm bewältigen konnte ist mir bis jetzt nicht ganz klar. In den kurzen Pausen zwischen den Programmpunkten verdrückte ich mich schnell ins Zimmer und versuchte mich nicht mehr als unbedingt nötig zu bewegen. Es schien sich ein gewisser Rhytmus zwischen Clouds und meiner Verfassung einzustellen. Nachdem ich mich wieder besser auf den Füssen halten konnte, musste plötzlich Cloud unzählige Male die Toilette aufsuchen, ohne dabei viel substantielles zu verrichten. Erst ein Immodium am nächsten Tag verhalf Cloud zur Reisetauglichkeit für unsere Rückkehr nach Kathmandu.

Unser Mahut mit seinem Elefant, wobei letzterer sicherlich nicht ein Cadillac unter seinesgleichen war, dafür aber alles vor ihm platt machte.

Der Höhepunkt unseres Elefanten-Ritts waren sicherlich die Rhinos, denen wir beim baden zuschauen konnten.
Mit meiner Gesundheit war es leider weiterhin nicht so gut bestellt, so dass wir unsere geplante kurze Trekkingtour abbrechen mussten. Dafür konnten wir an diesem Tag Sonnenauf- und -untergang bestaunen konnten.

Nagarkot ist bekannt für die schönen Sonnenaufgänge. In der Tat, trotz der sehr eingeschränkten Weitsicht, typisch für diese Jahreszeit, lohnte es sich aufzustehen und für das Spektakel auf den Balkon zu sitzen.

Ein Anblick, den ich so noch nie gesehen hatte. Die Sonne verschwindet für einmal nicht im Smog- und Dunstschleier, sondern verschwindet hinter den Häusern Kathmandus.

Von unserer Dachterasse ist nicht nur der Sonnenuntergang spektakulär. Nebst dem Blick über die Stadt erfreute sich Cloud auch über die steil fliegenden Flugzeuge.
Endlich schien das Schlimmste überstanden und ich fühlte wie die Kräfte zurück kamen. Grund genug also unsere angewöhnten Gesässe wieder auf das Mountainbike zu scwhingen. Wieso wir gerade den höchsten Berg in der unmittelbaren Umgebung von Kathmandu ausgesucht hatten, war mir plötzlich mehr als schleierhaft, als wir uns bei Tageshöchsttemperaturen den steilen Weg hoch schleppten.
Ein weiteres Mysterium konnte ich glücklicherweise bei der Abfahrt lösen. Nach längeren Biketouren hatte ich jeweils Bereiche an den Händen, die sich ganz taub anfühlten. Ich dachte mir dies käme von den rauen Griffen und die schlechten Handschuhe. Als mir Cloud vermehrt davon fuhr, während ich mich nur mit Mühe am Lenker festhalten konnte und zunehmend frustriert war, nahm ich den Vorderdämpfer unter die Lupe. Spätestens nach Fahrradtausch war das Geheimnis gelüftet. Der Dämpfer war hinüber. Da auch das Tretlager schon seit längerem lautstark sein Ableben bekundete, beschloss ich ganz spontan, als wir Clouds Mietvelo zurück brachten, auch gleich mein Bike dort zu lassen und zu verkaufen.
Ein weiterer Bestandteil meines Masterplans bestand darin, Christoph im Beach Camp – ein Zufluchtsort für Flusswassersportbegeisterte – zu besuchen. Er arbeitete dort zu dieser Zeit als Kajak-Guide und da sich praktisch alle letztjährigen Zivildienstleistenden von Kam For Sud (siehe Abstract) in Nepal befanden, schien es eine gute Idee uns dort zu treffen. Am zweiten Tag nahmen wir uns gleich mal ein paar rassige Schnellen vor, aus denen nur etwa die Hälfte von uns mit dem Kopf über Wasser heraus kamen. Andi hat es so arg erwischt, dass er die Übung abbrechen und mit einer genähten Platzwunde gleich wieder ins Beach Camp zurück fuhr. Nach weiteren Stromschnellen fanden wir, es reiche und wir beschlossen noch ein anderes Element sportlich zu erschliessen.

Wieder bei Kräften stand auch der Unternehmenslust endlich nichts mehr im Wege. Ziel war die Peace Pagoda…
Bald darauf packte Cloud seine Sachen und flog zurück in die kalte Schweiz. Ich meinerseits hob sofort den deklarierten Baustopp auf und begann den Bau mit allen Kräften so schnell wie möglich voran zu treiben, so dass die Baustelle vor meiner Rückreise im Juni geschlossen sein wird.
Love reading about your adventures, Daniel.