The walled city
Alleine schon der Versuch diejenigen Fotos auszuwählen, die ich als würdig erachte in die weite Welt zu schicken, gestaltete sich als äusserst schwierig. Ich habe deshalb beschlossen den Mustang Reisebericht Häppchen-weise zu servieren. Der erste Teil erzählt von der Reise von Pokhara nach Lo Manthang – the walled city. Letzterer Ort war lange Zeit die Hauptstadt des Königreiches Lo, das heute bezeichnenderweise auch das verlorene Königreich genannt wird. Die Monarchie in diesem Gebiet wurde vor knapp vier Jahren aus den Angeln gehoben und fiel infolgedessen unter die direkte Verwaltung von Nepal’s Regierung. Das Gebiet – Upper Mustang – ist immer noch als eingeschränkt eingestuft, was bedeutet, dass eine sehr kostenschwere Bewilligung vonnöten ist um diese wunderschöne Gegend zu bereisen.
Am letzten Tag im April 2012 machten wir uns bereit für den Flug von Pokhara nach Jomsom, den Hauptort des Districts Mustang. Am Flughafen wurde unser Gepäck gewogen und durch einen Scanner geschleust. Wir wurden gründlich abgetastet und standen eine gute halbe Stunde vor offizieller Abreisezeit abflugsbereit in der Halle. Um die Zeit zu verkürzen bestellten wir Milchtee, der während des normalen Tagesgangs in Nepal eine wiederkehrende Rolle spielt. Kaum hatten wir die heissen Plastikbecher in die Hände gekriegt, wurde unser Flug ausgerufen. Während meines Nepal Aufenthalts musste ich schnell lernen mich mit der Relativität nepalesischer Zeitangaben einzurichten. Umso mehr erstaunte es deshalb, dass die Unpünktlichkeit auch in die umgekehrte Richtung möglich ist. Wir verbrannten uns alle die Zunge während wir wie Schafe zum Flugzeug getrieben wurden, das vor den Toren Stellung bezogen hatte. Nachdem wir als letzte Passagiere auf den hintersten Sitzen Platz genommen hatten und die Türe hinter uns zugezogen wurde, surrte auch schon der Motor und katapultierte uns kurz darauf in die Luft.

Twin Otter der Tara Airlines, die uns glücklicherweise sicher in Jomsom absetzte. Kaum waren wir aus dem Flugzeug wurden auch schon die Passagiere für den Rückflug los geschickt. Diese ungewöhnliche nepalesische Effizienz rührt vom Umstand, dass schon am späten Morgen rauer Wind aufkommt, der den Flugverkehr auf die frühen Morgenstunden beschränkt.
Wir zogen schnell über ansteigende Hügel und flogen bald am hohen Annapurna-Massiv vorbei. Wir flogen tief am Nilgiri vorbei und vollzogen eine enge Kurve bevor die Twin Otter die Landepiste ansteuerte, die wir kurz davor in umgekehrter Richtung überflogen hatten. In Jomsom wehte uns ein kalter und dünner Wind entgegen. Soeben waren wir vom Flugzeug 2000 Meter hinaufbefördert worden.
Unser Tagesziel lag nochmals knapp 1000 Meter höher. Zur besseren Akklimatisation und um die weitere Reise zu organisieren gingen wir mit dem Jeep nach Muktinath – ein beliebtes Pilgerziel der Inder. Die meisten liessen sich die kurze Strecke vom Jeep-Parkplatz zur Tempelanlage durch die wartenden, mit Töff ausgerüsteten Einheimischen hinauf chauffieren.

Nach dem Besuch des hinduistischen Tempels genoss Rajan eine kurze Erholungspause. Da jede Reisegruppe, die mindestens aus zwei Ausländern bestehen muss, immer einen Reiseleiter dabei haben muss, wurde Rajan kurzerhand als solcher deklariert.
Weniger der Tempel an sich als die amüsante Szenerie, wie sich schlankbeinige, dickbauchige Inder in weisser Unterwäsche in den zwei Becken und über 100 Wasserhähnen wuschen oder gar badeten, machten den Abstecher nach Muktinath besonders erlebenswert.
Mit dem Jeep ging es anschliessend nach Kagbeni – das Tor zum geschützten Upper Mustang – zurück in dickere Luftsphären. Es galt ein Pferd und dessen Führer aufzutreiben. Es stellte sich als schwieriger heraus als wir angenommen hatten, so dass wir bis am Abend nicht wussten, ob wir anderntags vielleicht doch mit zwei Trägern vorlieb nehmen werden müssten.

Oft findet man auf der Suche nach etwas Bestimmtem nicht das Gewollte. Auch in Kagbenis Gassen widerfuhr uns dies, als wir anstelle von Pferd und Führer auf einige Mitglieder der Stadtmusikanten trafen.
Sehr zu unserer Freude klappte es am nächsten Morgen doch noch und wir konnten unser schweres Gepäck getrost dem hochgebirstauglichen Kleinpferd überlassen. Tsering, der Besitzer des gutmütigen Tieres, entpuppte sich wenig später auch als sehr freundlicher Reisebegleiter. Mit ihm hatten wir schliesslich auch einen kompetenten Reiseführer mit an Bord. Ohne an Rajan’s Fähigkeiten in irgendeiner Weise zu zweifeln, als Guide war er (zu diesem Zeitpunkt) nur auf dem Papier zu gebrauchen.

Um uns ein wenig auf-und-ab zu ersparen liefen wir das erste Stück in der Schwemmebene des Kali Gandakis. Kurz darauf mussten wir den Fluss jedoch überqueren, indem wir die Schuhe und Socken auszogen und die Kälte Upper Mustangs am eigenen Leibe zu spüren bekamen. Diese Überquerung reichte uns, so dass wir fortan die kurzen Steigungen in Kauf nahmen und uns zurück auf den Trekkingpfad begaben.
Unser Team wurde zusätzlich von Tsewang ergänzt, den wir tags zuvor in Muktinath getroffen hatten. Er ist der Sekretär des in Mustang weit bekannten Lama Ngawangs, der seinerseits die Lo Mustang Foundation ins Leben gerufen hatte. Unsere Studie würde in enger Zusammenarbeit mit dieser Stiftung vollzogen werden. Lama Ngawang zog es persönlich vor mit dem Traktor von Tatopani nach Lo Manthang zu fahren, um erst dort zu uns zu stossen.

Das auf-und-ab des Pfades bescherte uns wunderschöne Aussichten. In der Trockenzeit nutzen die Einheimischen die riesige Schwemmfläche des Kali Gandakis um mit dem Traktor Güter und Menschen das Tal hoch und runter zu transportieren.
Tsering blieb mit seinem Lasttier und unserem schweren Gepäck der Flussroute treu. Die langen Beine des Pferdes verhalfen ihm jeweils trockenen Fusses zu übersetzen. Der Rest unserer Truppe musste sich aber den Pfad hinauf schleppen. Dafür wurden wir mit wunderschönen und zugleich skurrilen Anblicken entlohnt. Wie man zum Beispiel auf die Idee kommt auf einer Hochebene, abgelegen vom wertvollen Oberflächengewässer, eine riesige Obstplantage zu bauen, ist mir schleierhaft. Falls es jedoch mit dem Unterfangen klappen sollte, wird damit sicherlich eine Marktlücke erschlossen.

Bevor irgendetwas in Upper Mustang angepflanzt wird, pflegt man das Gebiet zu umfrieden. Dazu nimmt man lokal vorhandene Erde, verdichtet sie, in dem man sie in eine Holzform presst, lässt den Kubus trocknen und fertig ist das praktische Mauermaterial.
Upper Mustang ist sehr stark von der tibetischen Kultur beeinflusst. Seit dem Einmarsch der Chinesen sagt man, dass in Mustang noch das ursprünglichste Tibet überlebt hat. Überall findet man buddhistische Bauten, Gebetsfahnen und Seidenschale.
Nach der ersten Öffnung Upper Mustang für Individualtouristen mit der entsprechenden Geldbörse im Jahre 1992, hat die Entwicklung auch vor diesem Gebiet nicht Halt gemacht. In immer schnelleren Tempo wird die Gegend modernisiert. Seit ein paar Jahren ist nun auch ein grosses Strassenprojekt im Begriff realisiert zu werden. Lo Manthang soll auch von Nepalesischer Seite erschlossen werden. Eine Strasse zu China existiert seit Langem, ist aber seit vielen Jahren nicht mehr frequentiert.

Tsewang und Rajan kurz vor Chhusang, unserem Mittagsrastplatz. Wenn man den unsicheren Fels betrachtet, durch den sich der Bagger seinen Weg bahnt, so erstaunt es nicht, dass erst kürzlich eine solche Maschine, zusammen mit dem Führer und drei Arbeitern, verschüttet wurde.
In Chhusang machten wir Rast und belohnten die getane Arbeit mit einem wohlverdienten Dhal Bhat. Für den verbleibenden kurzen Teil des Nachmittags hatten wir noch ein Stück Wanderweg vor uns. Das Tagesziel war Chele, das auf der anderen Flussseite liegt und nur über ein kurzes Steilstück zu erreichen ist. Die Steigung ermahnte eindringlich davor, dass wir uns nicht auf Meereshöhe bewegten.
Nach einem Pancake gespickt mit Äpfeln, wofür ich dankbar sein konnte zu dieser Jahreszeit, nahmen wir die zweite Etappe in Angriff. Es standen zuerst rund 700 Höhenmeter auf dem Programm, die unser Herz schon ganz schön in Schwung brachten. Als wir den höchsten Punkt überquert hatten, erreichten wir Samar und gönnten uns nepalesischen Milch- und tibetischen Buttertee. Letzteres ist gewöhnungsbedürftig, aber ist sicherlich förderlich für die Elektrolyten. Ich habe mich jeweils ins Militär zurückversetzt gefühlt, als es auf den Märschen Bouillon zu trinken gab. Schliesslich absolviere ich ja meinen Zivildienst, somit passt das eigentlich ganz gut.

Ein einsamer Reiter vor atemberaubender Kulisse. Vielleicht musste ich nicht aufgrund der dünnen Luft, sondern der schönen Anblicke wegen mehr um Atem ringen als gewöhnlich.

Die Zeichen des rauen Klimas waren unverkennbar. Der Wind und die Höhenluft liessen uns vor allem in der Nacht warm anziehen.

Nicht nur das Klima ist rau, sondern auch die Natur. Ein Pferd in Syangboche, das angeblich von Wölfen angegriffen wurde und verarztet werden musste.
Laut meinen Höhenerfahrungen in den Alpen hätte sich zu diesem Zeitpunkt mein Leistungseinbruch schon lange melden müssen. Wahrscheinlich auch dank der kompetenten Beratung meines persönlichen Höhenarztes, konnte ich einem solchen unangenehmen Vorkommnis vorbeugen. Auch die Nacht in Jhaite auf 3820 m.ü.M. konnte ich beschwerdelos geniessen.

Auch ein Blick zurück hat sich immer wieder einmal gelohnt; so auch hier, kurz vor Jhaite, unserer nächsten Schlafstelle.
Auch am nächsten Tag waren wir sehr beschäftigt mit wandern, atmen, essen, staunen und entdecken. Unser Weg führte uns nach einem kurzen Aufstieg über einen Pass und anschliessend hinunter nach Ghami. Nach dem obligaten Dhal Bhat durften wir die längste Mani Mauer in Mustang bestaunen.

Mittagsrast in Ghami. Wie man sehen kann erhalten Fremdlinge normalerweise anderes Geschirr als Nepalesen. Das mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber letztlich muss der Tourist auch ungefähr das Doppelte bezahlen und somit ist das schönere Porzellan eigentlich auch gerechtfertigt.

Ein ortsüblicher Gebrauch: Erreicht man einen Pass schnappt man sich einen Stein und wirft ihn auf den schon vorhandenen Steinhaufen. Das bringt Glück und somit können die Wegbauer auch gleich auf die Konstruktion von Steinmännchen verzichten.
Vom Pass führte der Weg hinunter nach Chharang, einer der grössten Orte in Upper Mustang. Das Dorf ist sehr hübsch geschmückt mit einem alten Palast und einem Kloster. Für beides wurde Eintrittspreis verlangt, was uns ein bisschen zuwider war. Den Palast liessen wir deshalb aussen vor und schlichen uns in den Klosterhof, um die auffällige Baute wenigstens von aussen näher betrachten zu können.

Nach getaner Arbeit hatten wir Zeit vor überbelichteter, aber dennoch imposanter, Kulisse zu posieren. Rajan meinte, als er das Foto zum ersten mal sah: “Oh my god, am I really that short?” Ich habe ihm versichert, es läge nur am Weitwinkelobjektiv, das die Grössenverhältnisse verzerre.

Unsere Neugierde wurde belohnt. Junge Mönche spielen Höhenfussball auf dem Hinterhof des Klosters. Leider haben sie das mit den Trikots nicht ganz verstanden. Die eine Mannschaft hätte doch die Auswärtsleibchen anziehen sollen.
Am vierten Marschtag lag unser erstes grösseres Zwischenziel auf dem Programm. Lo Manthang – the walled city. Der mystisch klingende Namen hat meine Vorfreude schon viel vorher geweckt und ich freute mich auf das Dorf. Äusserst schwer tragende Nepalesen überholend bewegten wir uns auf weitläufigem Gelände, bis hinter einem Pass der Blick auf Lo Manthang freigegeben wurde.
Schnell bewegten wir uns Richtung Lo Mantang. Wir quartierten uns ausserhalb des ummauerten Dorfteils ein und gingen auf Erkundungsreise. Ein bisschen enttäuscht war ich schon irgendwie. Klar, die Stadt ist ummauert, aber ich habe mir etwas prunkvolleres und mystischeres vorgestellt. Zum Beispiel grosse Torbogen, von weitem sichtbare hohe Mauern, Stadtwächter, strahlende religiöse Bauten und geschmückte Pferde. Gut, vielleicht kann ich die Enttäuschung auch dem beissend kalten Wetter zuschreiben. Auf jeden Fall hatten wir auf dem Weg nach Lo Manthang so vieles gesehen, dass wir uns auch nicht hätten beklagen dürfen, hätte das Dorf nur aus einer heruntergekommenen Stallansammlung bestanden.

Der Königspalast. Das nächste Mal sollten wir einfach um eine königliche Audienz bitten. Ich bin sicher, ich würde anders über Lo Manthang berichten.
Mit dem Erreichen von Lo Manthang endet auch der erste Teil meiner Zusammenfassung. Ich werde versuchen noch vor der zweiten Runde die Dokumentation des ersten Besuches abzuschliessen. In jedem Fall …
… Updates werden folgen.