Holy Holi
Was die Festtage angeht sind die Hindus unter den Weltreligionen wohl so etwas wie die Katholiken unter den Christen. Es gibt nicht nur unzählige Feste, sondern sie dauern auch meistens gleich mehrere Tage. Zu den regulären Festtagen kommen natürlich dann noch die zusätzlichen Feiern wie beispielsweise Hochzeiten, Todestag-Jährungen und Konfirmations-ähnliche Festaktivitäten, um mich wieder eines christlichen Gleichnisses zu bedienen. In Sachen Spiel-mit-deinem-Leben-Feste müssen sich die Nepalesen auch nicht verstecken. In Bhaktapur wird das neue Jahr jeweils besonders ausgiebig gefeiert. Zu Silvester ziehen die Leute riesige mit heiligen Figuren beladene Wagen durch die Stadt. Dieses Jahr ist jemand unter die Räder und ums Leben gekommen. Dass jemand stirbt ist eigentlich nur bei den Festaktivitäten anderntags üblich. Ein Lingam – ein phallisches Symbol für Shiva – in Form eines mächtigen Baumstammes wird auf einem grossen Platz aufgerichtet. An der Spitze des Stammes sind vier Seile befestigt. Nun beginnt ein Wettbewerb bei dem die Zuschauer versuchen eines der vier Seile in die Hände zu kriegen und in die eigene Richtung zu ziehen. Fällt der Stamm in die Richtung in welche man gezogen hat, verspricht das Glück, oder eben Unglück, falls der Stamm auf dem eigenen Kopf landet. Ich auf jeden Fall hatte Pech: Ich wagte mich nicht zu weit von meiner komfortablen Toilette zu entfernen und somit gründen meine Schilderungen von den legendär anmutenden Zuständen während des Neujahrsfestes nur auf Erzählungen.

Ein sehr wichtiger Bestandteil im Fest-Curriculum der Hindus: Shivaratri. Hindus pilgern zu Hundertausenden nach Pashupatinath und erhoffen sich für ein paar Sekunden Shiva in seinem Tempel huldigen zu können. Laut Angaben der Behörden haben sie 750'000 Gläubige innerhalb von 24 Stunden durch den Tempel geschleust. Rechnen wir nach: 750'000/Tag -> 31'250/Stunde -> 521/Minute -> 9/Sekunde. Das ist sicherlich nur etwas für Schnell-Beter.

Eines der ausserordentlichen Feiern im Festkalender der Hindus. Jeder Bursche hat eine Brataman-Zeremonie über sich ergehen zu lassen. Unter den unangenehmeren Angelegenheiten ist die Kahlrasur des Schädels zu nennen. Als Entschädigung gibt es viele Geschenke und die Burschen dürfen dann heiraten.

Ein weiteres wichtiges Fest: Hochzeit. Bis zu diesem Zeitpunkt glaubte ich fest, das Brautpaar schaue immer so traurig, weil sie wissen, dass sie bald Fleisch mit Haut und Haaren essen müssen. Der Partydienst dieses Festes hat diese These jedoch einschlägig widerlegt.
Von all diesen Festereien, die ich bis jetzt in meinem nur drei Monate zählenden Aufenthalt miterlebte, sticht ein Fest wahrhaftig heraus: Holi. Von meinem Reise Know How Führer vorgewarnt deckte ich mich am Vorabend mit einer billigen Trekkinghose und einem schwarzen Hemd ein. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass diesem Kauf trotz geringem Preis ein erbitterter Feilsch-Handel vorausgegangen war.

Dieses Foto entstand während ein kleiner Bestandteil der Gruppe versuchte ein paar nepalesische Freunde aus Polizeigewahrsam zu befreien. Mit der Begründung Nepalesen dürfen keine Touristen mit Farbe bekleckern wurden sie kurzerhand auf Pickup-Trucks geladen und temporär eingebuchtet. Wie zu sehen ist liessen wir uns die Stimmung durch dieses unschöne Intermezzo nicht verderben.
In Kampfausrüstung schlichen Andreas und ich vom Touristen Viertel in Kathmandu, wo wir kurzzeitig Quartier bezogen hatten, zur nahe gelegenen Mietwohunung von Christoph und Patrick (für Personenreferenzen siehe Abstract). Schon auf dem kurzen Weg mussten wir einigen Wasser- und Farbattacken ausweichen. Noch waren wir einigermassen sauber als wir beim Apartment ankamen. Dort entbrannte eine Wasserschlacht, die Teil eines ganzen Wasser- und Farbkrieges werden sollte. Bald musste ich meine Umweltingenieursbrille ob des grossen Wasserverbrauchs gut in einer dunklen Truhe verstauen. Das gelang einwandfrei, so dass ich bald darauf von der Dachterrasse aus Leute auf den umliegenden Dächern und der Strasse mit Wasser gefüllten Plastiktütchen bewarf. Im Gegenzug mussten wir vielen Wasserbomben ausweichen und präsentierten uns bald, hauptsächlich aufgrund von internen Meutereien, in nass bunter Montur. Als der Wasserverpackungsvorrat aufgebraucht war, begaben wir uns in den Festivitätsbrennpunkt Thamel. Wenn wir noch ein Stückchen saubere Kleider hatten, dann war es um dieses schnell geschehen. Ganz im Sinne von ‘Angriff ist die beste Verteidigung’ streiften wir durch die Strassen und bewarfen alle Passanten mit Farbe und Wasser. Um Letzteres war es plötzlich schlecht bestellt, da die Wasservorräte der ganzen Stadt zur Neige gegangen schienen.

Mit fortschreitender Zeit wurde der Wasseranteil der Munition geringer und der Farbanteil entsprechend grösser.

Nach ein paar geschlagenen Schlachten erholten wir uns kurz, in Sicherheit vor Luftangriffen, von den Strapazen des Krieges.

Bald darauf ging es aber auch schon weiter. Zur Freude aller fanden wir eine nicht zu versiegen scheinende Quelle von Wasser, die all unsere Kampfgelüste zu befriedigen vermochte.

Irgendwann geht jeder Krieg zu Ende. Noch waren die Zeichen der Schlachten nicht ganz abgewaschen, aber eines stand schon zu diesem Zeitpunkt fest: Farbe macht glücklich.
Die Ingenieursbrille habe ich aber mittlerweile schon lange wieder aus der Truhe geholt und bin nun kurz davor den Bericht über mögliche Lösungen zur Entschärfung der Wasserknappheit im Kinderheim Tathali zu vollenden. Heute oder Morgen sollte ich dann endlich Bescheid erhalten, ob ich für ein weiteres Projekt nach Mustang gehen kann oder nicht. Alles hier in Nepal geht halt einfach ein bisschen länger…
… Updates werden folgen.
mustang, ahoi!
The colors of life 🙂